Die Oberland-Realschule testet ein sogenanntes dynamisches Mathematiksystem – als eine von nur acht Schulen bayernweit. Die Idee: Ein besseres Verständnis mathematischer Zusammenhänge zu erzielen.
Holzkirchen – Wie es zu dem Versuch an der Oberland-Realschule in Holzkirchen kam? „Voraussetzung ist die grundsätzliche Bereitschaft der Schule und die Unterstützung durch das Kollegium“, erklärt Gerhard Hauler. Der Mathe-, Sport- und IT-Lehrer hat über seinen Seminarlehrer im Referendariat von dem Schulversuch des Bayerischen Kultusministeriums erfahren, in dessen Rahmen Schüler ab der achten Klasse sowie ihre Lehrkräfte Apps wie den „Geogebra Grafikrechner“ ausprobieren können – und war begeistert: „Ich mag dieses Programm sehr“, sagt Hauler. Bereits vor dem Versuch hatte er es im Unterricht genutzt, indem er es über Beamer an die Wand projiziert hatte. Nun könne jeder Schüler das Programm auf seinem Smartphone nutzen und dürfe es auch bei Prüfungen verwenden.
In der Regel kommt an Realschulen ab der achten Klasse ein herkömmlicher Taschenrechner zum Einsatz. Diesen kann eine App wie Geogebra ersetzen. Der Versuch läuft in einzelnen Klassen bereits seit drei Jahren. Die Teilnehmer hatten dabei die Funktionalitäten verschiedener Softwares erprobt und verglichen, wobei sich der Geogebra Grafikrechner besonders hervorgetan hatte. Seit Beginn des laufenden Schuljahres sind nun alle achten Klassen dabei.
Für Hauler liegen die Vorteile des Grafikrechners gegenüber dem Taschenrechner auf der Hand. „Der entscheidende Unterschied ist die grafische Ansicht, die Geogebra bietet“, erklärt er. „Im Matheunterricht ist Visualisierung das A und O, weil sie das Verständnis fördert.“ Zwar gebe es auch grafikfähige Taschenrechner, doch da sei die Eingabe oft umständlich, während sie bei der App intuitiv erfolge: Auf dem Display ist oberhalb der Tastatur ein Koordinatensystem zu sehen. Hier lassen sich zum Beispiel Parabeln und Geraden darstellen. Ein Punkt kann auf eine Gerade gesetzt und durch Wischen mit dem Finger intuitiv verschoben werden. „Wann ist der Flächeninhalt einer Raute am größten? Fragen wie diese sind mithilfe der App leichter vermittelbar“, sagt Hauler. Zwar habe es auch zu seiner Schulzeit schon digitale Visualisierung im Mathe-Unterricht gegeben, „aber damals musste man dafür noch in den PC-Raum gehen“, erinnert sich der 33-Jährige.
Ein weiterer Vorteil der App aus Haulers Sicht: Sie ist im Gegensatz zum Taschenrechner kostenlos. Freilich brauche man dafür ein Smartphone: „Wir hatten bislang aber keinen Schüler, der kein Smartphone hatte.“ Einige seien sogar mit privaten Tablets ausgestattet.
Für den Fall, dass sich ein Schüler kein Smartphone leisten könne, seien schuleigene Tablets zur Verwendung in der Schule verfügbar, wenngleich die Oberland-Realschule im Gegensatz zu anderen Schulen noch nicht alle Schüler mit Tablets ausstatte: „Die Digitalisierung ist eine Gratwanderung“, sagt Hauler. Einerseits gelte es, den Fortschritt zu nutzen. Andererseits müsse man abwägen, wie viel Digitalisierung sinnvoll sei: „Die Haptik darf nicht verloren gehen.“ Schon jetzt zeigen die Schüler Pioniergeist im Umgang mit dem Smartphone: „Dass die Divisionstaste der App auch Brüche generiert, haben die Schüler zu Beginn der Testphase schneller entdeckt als ich“, erzählt er lachend.
Ermöglicht der Einsatz eines Smartphones in Prüfungen nicht Unterschleif? „Das haut nicht hin“, sagt Hauler. Ein Prüfungsmodus schotte die App vom Internet ab. Sie schlage sogar Alarm, wenn ein Schüler versuche, die App zu verlassen. Zudem lässt sich Hauler am Ende der Prüfung das Prüfungsprotokoll der App zeigen, das die Nutzung genau dokumentiert.
Noch ist unklar, wie es nach dem Schulversuch weitergeht. Vorerst soll er bis zum Schuljahr 2026 / 2027 weiterlaufen.